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Dr. Antje Oldenburg

Sonntagsspaziergang im Moor - auf den Spuren der Wölfe

Hören - Zwischen der Allermarsch im Norden und dem hügeligen Rand der Hannover­schen Moorgeest im Süden liegt das Lichtenmoor,  eine ausgedehnte Natur- und Kulturlandschaft, deren Reiz in ihrer Abgeschiedenheit und der Abwechs­lung unterschiedlicher Landschaftstypen liegt: Ausgedehnte Kiefernforsten, Moorbirken- und Mischwälder, Wiesen und Weiden, erlengesäumte Bäche und stille Moortümpel prägen das Landschaftsbild und bieten zahlreichen seltenen Tier- und Pflanzenarten einen geeigneten Lebensraum. Seit sich in dieser dünnbesiedelten Gegend vor sechs Jahren Wölfe angesiedelt haben, zieht es uns nicht nur zur Vogelbeobachtung, sondern auch zur Spurensuche ins Lich­tenmoor – so auch am ersten Februarwochenende, begleitet von Freunden aus Osnabrück, die endlich unser Lieblingsgebiet kennen lernen möchten.


Die regenreichen Wintermonate haben die Wasserstände merklich ansteigen lassen: Auf den nach dem Torfabbau wiedervernässten Flächen des Hochmoors ragen Kiefern- und Birkenaufwuchs aus dem leicht gekräuselten Wasser, Krick­enten schwirren laut rufend durch die Luft und am grauen Himmel kreist ein Seeadlerpaar, verfolgt von Kolkraben und Rabenkrähen. Während aus der Ferne das Trompeten von Kranichen herüberschallt, heften wir unsere Blicke auf den vollgesogenen Torfboden am Fuß der Dämme, die die einzelnen Par­zellen voneinander trennen.


Wolfslosung mit Resten von Fell und Knochen
Letzte Zweifel räumt ein weiteres Fundstück aus dem Wege, das sich an­hand seiner Größe und des hohen Anteils an Fell- und Knochenresten leicht als Wolfslosung identifi­zieren lässt.

Und tatsächlich: Auf dem weichen Torf zeichnen sich deutlich die Trittsiegel von Wildschweinen und große, länglich-ovale Pfotenabdrücke ab, die nur von einem Wolf oder einem Hund stammen kön­nen. Letzte Zweifel räumt ein weiteres Fundstück aus dem Wege, das sich an­hand seiner Größe und des hohen Anteils an Fell- und Knochenresten leicht als Wolfslosung identifi­zieren lässt. Zwei Stunden folgen wir be­geistert den Spuren, die die Wölfe auf ihren Streifzügen durch ihr Revier hinterlassen ha­ben.

 

Doch die Freude über die Zeugen ihrer Anwesenheit wird getrübt durch das Wissen, dass das Paar, nachdem es viermal in Folge erfolgreich Welpen groß gezogen hatte, im Frühjahr 2022 innerhalb von zwei Wochen spurlos „ver­schwand“. Zwar wurde bereits im Folgejahr von einer im Territorium verblie­benen Tochter aus dem letzten Wurf und einem zugewanderten Rüden aus Mecklenburg-Vorpommern ein neues Rudel gegründet, doch geben seither Verletzungen an den Hinterläufen Rätsel auf. Vor Weihnachten konnte der Rüde den rechten Hinterlauf wochenlang nicht belasten und lief auf drei Beinen hinter seiner Fähe her. Während die Ursache für solche Verletzungen ein Fehl­tritt beim Jagen oder ein leichter Autounfall sein könnte, lässt sich das scho­ckierende Bild, das im Januar auf der Aufnahme einer Wildkamera zu sehen war, so nicht erklären: Dem Welpen fehlt der untere Teil des linken Hinterlaufs, Pfote und Mittelfußknochen wurden – so hat es den Anschein  – unterhalb des Sprunggelenks abgetrennt.

 

Zerfetzte, abgerissene oder durchtrennte Gliedma­ßen deuten darauf hin, dass das verletzte Tier in ein Tellereisen geraten ist, ei­ner aus Stahl gefertigten Falle mit zwei Fangbügeln, die beim Tritt auf den Tel­ler zuschnappt und das Tier am Bein festhält. Obwohl die Verwendung von Tellereisen laut Bundesjagdgesetz strengstens verboten ist und zudem einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt, sind sie weiterhin im Handel er­hältlich und werden immer wieder zur Jagdwilderei oder zum Fangen „unlieb­samer“ Wild- oder Haustiere eingesetzt.


So wurden beispielsweise im Dezem­ber 2022 in Sangerhausen zwei schwer verletzte Katzen gefunden, die offen­sichtlich einen Teil ihres Hinterbeins durch ein Tellereisen verloren hatten. Im November 2023 fand ein zehnjähriges Kind in Ochtmersleben eine in einem Tellereisen gefangene Katze, die sich auf der Flucht in einem Gebüsch verfan­gen hatte. Drei Tage musste das Opfer unvor­stellbare Schmerzen ertragen, be­vor es mit einem fast vollständig abgetrenn­ten, von Maden übersäten Bein aus der Falle befreit und operiert werden konnte. Der Täter, der vor Gericht angab, die Falle zum Schutz seiner Hühner und Tauben vor Ratten aufgestellt zu ha­ben, wurde zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 28 Euro verurteilt.

 

Was auch immer die Ursache für den verkürzten Hinterlauf des Wolfswelpen gewesen sein mag - der Stumpf scheint gut verheilt zu sein und er kann seinen Geschwistern auch auf drei Beinen auf dem Fuß folgen.


 

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