In den sozialen Medien ist derzeit ein offener Brief zu finden, unter dem der Name des Vorsitzenden der Kreisgruppe Cochem-Zell im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz steht. Gerichtet ist das Schreiben an das Präsidium des Landesjagdverbandes, da dieses nicht die Bejagung des Wolfes fordert. Man könnte über die Ballung von Unsinn lachen, wenn es nicht so traurig wäre, wenn es nicht abermals zeigen würde, dass Fakten immer weniger wert sind und Lügen und Diffamierungen immer häufiger als Mittel zum Zweck verwendet werden.
Darin heißt es „Wölfe reißen nicht grundsätzlich mit Drosselbiss. Rehe und schwächere Tiere werden lebendig gefressen“. Das ist nur eine von vielen unhaltbaren Behauptungen in dem Schreiben, in dem fast alle typischen Lügen und Halbwahrheiten der Wolfsgegner enthalten sind.
„Immer mehr Wölfe erobern Teile des Landes und fressen massiv Rehwild, Rotwild und Muffelwild. (…) Es herrscht eine Totenstimmung in den betroffenen Revieren und das Wild verhält sich völlig verändert“. Später fragt er: „Wer soll denn die Plage reduzieren?“ Also sieht man in Rheinland-Pfalz vor lauter Wölfen keine Bäume mehr? Mitnichten: Im gesamten Bundeland leben zwei Rudel, ein Paar und ein Einzeltier (Monitoringjahr 2023/24, Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf).
Wie kaum anders zu erwarten, werden wissenschaftlich erhobene Daten und Fakten in Zweifel gezogen und Verschwörungstheorien gesponnen. „Das Senckenberg Institut stellt seit 20 Jahren sehr oft „Hund“ als Ergebnis fest. (…) Die Verstrickung von Wolfslobbyisten der NGOs [gemeinnützige Organisationen] mit Senckenberg und LCIE [Large Carnivore Initiative for Europe] ist namentlich auch der Geschäftsführung des LJV [Landesjagdverband] bekannt.“
Es ist derzeit eine verbreitete Masche der Wolfsgegner, dem renommierten Institut schlechte Arbeit oder gar Manipulation vorzuwerfen. Es kommt noch besser: „Wolfsrisse kann man ohne DNA-Analyse weitgehend auf Sicht einordnen.“ Eine solche Wissenschaftsfeindlichkeit muss nicht weiter kommentiert werden.
Kein Populismus kommt ohne den großen Retter aus. Hier ist es natürlich die Jägerschaft, die uns vor der Plage, bestehend aus 10 bis 15 Wölfen in ganz Rheinland-Pfalz, retten soll: „Niemand außer der Jägerschaft ist bewaffnet, flächenhaft organisiert und besitzt die wildbiologischen Hintergründe, eine Entnahmeentscheidung zu treffen.“ Er trägt noch dicker auf: „Gerade auf dem Land gehören Jäger zu angesehenen Menschen, die eine wichtige Aufgabe im Tierschutz übernehmen. Mit der Bereitschaft, Wölfe zu jagen, erarbeitet sich die Jägerschaft den Nimbus zu den „echten“ Tierschützern zu gehören“.
Echter Tierschutz ist es also, eine Tierart zu reduzieren, die bislang in 95 oder mehr Prozent der Landesfläche gar nicht vorkommt? Meint er das ernst? Mitnichten, denn sein wirklicher Beweggrund ist einige Zeilen früher zu lesen: „Warum sollen teure Pachten gezahlt werden, wenn der Jagderfolg zukünftig von Wölfen abgeschöpft wird?“
Lassen wir diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen: Eine heimische Tierart, natürlicher Bestandteil des Ökosystems, soll verschwinden, damit die Jäger Jagderfolg haben?
Haben wir nicht Jahrzehnte lang die Argumentation gehört, dass die Jäger die ausgerotteten großen Beutegreifer ersetzen müssten? Gebetsmühlenartig wurde diese Selbstlegitimation vorgetragen, bis der Wolf zurückkam. Aber einen echten Populisten erschrickt das nicht. Er hat immer eine große Mottenkiste bei sich, in der er tief nach Scheinargumenten wühlen kann, hier unter anderem die Tollwut, die Räude und all die anderen Krankheiten, die angeblich von Wölfen übertragen werden.
Trotz des tatsächlich vorhandenen Unterhaltungswerts dieses offenen Briefes und der Unmöglichkeit, all den Unsinn ernst zu nehmen, ist dieses Ausmaß an Lügen und Faktenverleugnung erschreckend. Für Populisten – und nichts anderes sind all die lauten Wolfsgegner - zählt Wahrheit eben nicht.
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