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Dr. Martin Steverding

Wildtiere weniger regulieren – Mut zu mehr Natur!

Hören | Zurecht wird in vielen Lebensbereichen über zu viel Regulation geklagt. Im Dschungel aus Regeln und Vorschriften blickt kaum noch jemand durch. Überregulierung gibt es aber bei weitem nicht nur in unserer Bürokratie, sondern vor allem in unserer Natur und Landschaft.


Alles, was nicht unseren Regeln entsprechend wächst oder sich verhält, wird gefällt, ausgerissen, totgespritzt, gefangen, erschossen und vergiftet. Pflanzen und Tiere werden schnell zu Plagen erklärt, die es zu beseitigen gilt, weil sie Erträge mindern, Dinge beschädigen, unbequem sind, mit uns Menschen konkurrieren oder einfach nur in unserer Wahrnehmung für Unordnung sorgen.

Wildtierschutz Deutschland streitet für weniger Regulation: Im Zweifelsfall leben lassen, denn meistens ist ein Beseitigen oder Töten nicht notwendig, meistens gibt es mildere Lösungen und die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz.


Jagd

Die Jäger rechtfertigen ihr Tun mit der angeblichen Notwendigkeit, Tierbestände regulieren zu müssen. Im Gegensatz zur intakten Wildnis bestünde in unserer Kulturlandschaft kein natürliches Gleichgewicht, bestimmte Arten würden überhandnehmen.


In Wirklichkeit verstehen wir sehr wenig von den natürlichen Regulationsmechanismen und von den komplexen Beziehungsgeflechten zwischen Beutegreifern (Prädatoren) und Beutetieren. Wir kennen daher die Folgen von Eingriffen, wie etwa der Bejagung von Prädatoren, nicht.


Beispielsweise wird in neueren Forschungen immer deutlicher, dass die bloße Präsenz von Prädatoren sich auf das Verhalten und damit auch auf die Ressourcennutzung von Beutetieren auswirkt und somit auf ihre Bestände einwirkt. Eingriffe durch Jagd (z. B. Fuchsjagd) in diese Regulationsmechanismen können zur Übervermehrung von Beutetieren wie etwa Wühlmäusen führen, was Fraßschäden an Baumkeimlingen und eine verstärkte Verbreitung von Krankheiten wie der Borreliose zur Folge haben kann.


Weiterhin wird in der aktuellen Forschung immer deutlicher, dass Wildtiere über soziale Mechanismen der Populationskontrolle verfügen, die sich in Jahrtausenden der Evolution entwickelt haben, damit die Lebensräume und ihre Ressourcen nicht übernutzt werden. Beispielsweise werden die Würfe bei hoher Populationsdichte kleiner und/oder nur ein bestimmter Teil der gebärfähigen Weibchen pflanzt sich fort. Eingriffe durch Jagd in diese Regulationsmechanismen führen regelmäßig zum Gegenteil ihrer vorgegebenen Ziele, nämlich zu besonders starken Vermehrung von Wildbeständen mit einer Zunahme der Wildschäden, die die Jagd vorgibt zu vermeiden.


Jagd führt weiterhin zu massiven Verhaltensänderungen der Wildtiere mit weitreichenden und vielschichtigen Folgen für die Ökosysteme. Die jagdbedingte Nachtaktivität verhindert vor allem im Sommer mit seinen langen Tagen, dass Rehe und Hirsche Lichtungen und Wiesen nutzen können. Stattdessen verbeißen sie in der Deckung des Waldes die Rinde junger Bäume. Die vorgegebenen Ziele der Vermeidung von Fraßeinwirkungen konterkariert die Jagd damit selbst.


Beutegreifer werden durch die Jagd in ihrer ökologischen Funktion als natürliche Regulatoren behindert. Die häufig beklagten Schäden durch Grau-, Kanada- und Nilgänse wären ohne die rigorose Jagd auf Füchse wahrscheinlich geringer, da unbejagte Füchse ebenso tag- wie nachtaktiv sind. Nachts befinden sich quasi alle Gänse für Füchse unerreichbar auf dem Wasser, jagdbedingt nachtaktive Füchse können somit keine Gänse erbeuten. Wie effektiv Füchse bei der Gänsejagd aber sein können, zeigen diverse Aufnahmen aus fuchsjagdfreien Gebieten der Niederlande.

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