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Dr. Martin Steverding

Sperbersommer – aus dem Familienleben der kleinen, schnellen Jäger

Hören | Ein kleiner schlanker Greifvogel saß auf der Regenrinne des Hauses gegenüber auf der anderen Straßenseite, größer als eine Amsel, aber kleiner als eine Taube. Seine Unterseite war rotbraun quergebändert, seine Oberseite einfarbig blaugrau. Besonders eindrucksvoll waren seine großen rubinroten Augen, die aufmerksam die Umgebung musterten. Es war ein Sperbermännchen, die Augenfarbe ließ auf ein hohes Alter schließen – ein erfahrener Jäger.


Sperber Männchen auf der Regenrinne

Was in den nächsten Sekunden passierte, ging so schnell, dass ich nicht imstande war, dem Geschehen zu folgen. In Sekundenbruchteilen war der Greifvogel gestartet, mit unfassbarer Geschwindigkeit um die Kurve geflogen, um in der Luft wenige Zentimeter vor der Wand des nächsten Hauses einen kleinen Vogel aus der Luft zu greifen. Ich konnte weder die Flugbewegung des Sperbers wirklich nachvollziehen, noch erkennen, um welche Vogelart es sich bei der Beute handelte, noch hatte ich den Kleinvogel vor dem Zusammentreffen mit dem Greif wahrgenommen.


Sperber sind auf die Vogeljagd spezialisiert. Sie sind schlank mit einem langen Schwanz, der ihnen beim Manövrieren hilft und ziemlich kurzen Flügeln, mit denen sie durch engste Zwischenräume hindurchfliegen können. Die Jagdflüge des Sperbers sind in Schnelligkeit und Wendigkeit unvergleichlich. Ihre Bewegungen sind so rasant, dass wir Menschen Details nur in Zeitlupenaufnahmen erkennen können.


Brehm bezeichnete den Sperber als einen echten Strolch, der kleine Vögel nach Möglichkeit ängstigt und quält. Wenn er urplötzlich wie aus dem Nichts erscheint und mit rasender Geschwindigkeit eine Meise an der Futterstelle greift, stößt er auch heute oft auf wenig Sympathie. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, in gute und böse Tiere zu unterteilen. Der Sperber war weit vor uns Menschen da und ist fester Bestandteil des Ökosystems – und er ist ein faszinierender Vogel.



Das Nest der schnellen Jäger befand sich in einem kleinen Baumbestand direkt an einer viel befahrenen Straße ein paar Hundert Meter von meinem Zuhause entfernt. Das an Menschen gewöhnte Weibchen ließ sich dort entspannt beim Füttern der vier Jungen beobachten. Ein großer Teil der erbeuteten Vögel wurde auf vier Baumstümpfen in der Nähe des Nestes vor dem Verfüttern gerupft. An zwei der drei Stümpfe platzierte ich im Wechsel eine Wildkamera, die ich auf 30 Sekunden lange Videos programmierte.

Den Großteil der Beutevögel schaffte das bildschöne Männchen mit den Rubinaugen heran und bearbeitete sie häufig vor der Kamera. Meist rupfte er den Vogel weitgehend kahl und flog dann ab. Die Übergabe an das Weibchen, das in der Regel die Jungen füttert, erfolgte vermutlich meistens in den Bäumen in Nestnähe. Einige Übergaben fanden aber auch vor der Kamera statt. Das Männchen begann zu piepsen, flatterte mit den Flügeln und flog dann nach Sperberart rasant ohne die Beute davon. In der gleichen Sekunde stürmte das viel größere Weibchen heran und krachte förmlich auf den Baumstumpf, so dass die Landung deutlich hörbar war. Der kräftige Vogel mit den goldgelben Augen bearbeitete die Beute zu Ende und flog ab, vermutlich auf direktem Weg zum Nest.


Am 5. Juli war es soweit, die Jungen begannen zu fliegen. Im Nest war zunächst nur einer zu sehen. Als das Weibchen mit Beute kam, flatterten die anderen drei plötzlich aus verschiedenen Richtungen heran und alle vier wurden auf dem Nest gefüttert. Am Abend desselben Tages zeigte sich einer der Jungvögel auf dem Baumstumpf vor der Kamera. In den Folgetagen waren die Sperber immer seltener vor der Fotofalle, vermutlich weil die Eltern ihrem Nachwuchs die Beute immer häufiger oben in den Bäumen übergaben. Während ich die Kamera einige Tage später einsammelte, konnte ich die Bettelrufe der flüggen Jungen in den Bäumen hören. Eine neue Generation pfeilschneller Jäger wächst heran.

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