Hören | Das ist Zorro, er teilt sich das Gehege mit Vossy in einer Schliefenanlage im Westmünsterland nahe der niederländischen Grenze. Seit knapp zwei Jahren ist er in dem rund 40 m² großen Zwinger eingesperrt. Dort hält er sich so gut versteckt, dass wir ihn erst fünf Monate später als seine Mitgefangene, die Füchsin Vossy, entdeckten. Es war reiner Zufall, als sich hinter Vossys Ohren ein weiteres Paar Ohren abzeichnete. Wie immer lag Vossy auf dem Holzstück und dahinter hatte sich Zorro verkrochen. Zu lange blieb er unbemerkt, entdeckt haben wir ihn am Heiligen Abend 2022. Wir waren erstmal froh, dass die beiden Füchse sich hatten, und die Vorstellung, dass sie an Weihnachten nicht einsam waren, zauberte uns wenigstens an diesem Tag ein Lächeln ins Gesicht.
Bei der Sichtung unserer Aufnahmen verglichen wir die Welpenbilder aus dem Sommer miteinander und stellten fest, dass beide Füchse etwa zum gleichen Zeitpunkt in die Anlage gelangt waren. Wir fragten uns schon damals, ob man sie der Natur entnommen hatte, denn woher sollten sie sonst kommen?
Zorro ist außerordentlich scheu und reagiert prompt und unangemessen auf jedes noch so kleine Geräusch, entweder mit Flucht oder indem er permanent im Kreis herumläuft. Dabei hechelt er stark und seine Zunge hängt heraus. Diese Wiederholungsbewegungen sind automatische zwanghafte Verhaltensweisen. Sie scheinen starr und unveränderlich zu sein und keinem ersichtlichen Ziel zu folgen. Wie auch bei Menschen sind Bewegungsstereotypien pathologisch und können nicht einfach abgestellt werden. Sie werden vorrangig als eine psychische Störung bewertet.
Diese Verhaltensauffälligkeiten lassen sich gehäuft bei eingesperrten Wildtieren beobachten. Ergebnisse gehirnphysiologischer Messungen konnten bei Tieren emotionale Zustände des Leidens nachweisen, die zu vegetativen Störungen, Stereotypen, chronischen Ängsten, Depressionen, Apathie und/oder anderen Zuständen des Verlustes der Kontrolle über natürliche Verhaltensweisen führen (Richter 2004).
Es können mehrere Auslöser miteinander interagieren. So kann chronischer Stress durch reizarme Haltung sich unter Umständen erst dann in Form von Stereotypien auswirken, wenn ein akuter Stressor dazukommt (z. B. Schliefenübungen). Insbesondere wiederkehrende oder länger andauernde traumatische Erfahrungen können zu Stereotypien führen.
Zorro scheint in besonderem Maße unter den Haltungsbedingungen und den Trainings- und Prüfungseinheiten zu leiden. Die sichtbaren Stresssymptome, wie geduckte angespannte Körperhaltung, Hecheln, weit aufgerissene Augen, höhere Durchblutung (mit der Wärmebildkamera erkennbar), sowie pathologische Verhaltensweisen sind eindeutige Signale für psychisches Leiden bei Zorro, was in der Folge auch physisches Leiden nach sich zieht.
Das Tierschutzgesetz verbietet es, einem Tier ohne vernünftigem Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Zorro wird, wie auch Vossy und weitere Schliefenfüchse, wiederholt erheblichem Leiden ausgesetzt. Für ihn gibt es im Kessel des Tunnelsystems kein Entkommen. Er wird vom Hund bedrängt und in Todesangst versetzt, denn diese Angst- und Fluchtreaktion des Fuchses ist Bestandteil jeder Übung oder Prüfung. Stressphysiologisch ist keine Gewöhnung möglich.
Für uns ist es nur schwer auszuhalten, dass Zorro, obwohl er dringend Hilfe und Behandlung benötigt, weiterhin dieses Leid ertragen muss. Wir werden dies nicht länger tolerieren und haben selbstverständlich das zuständige Veterinäramt dazu informiert. Wir hoffen sehr, dass Zorro nun endlich geholfen wird und er, sowie seine Leidensgenossin Vossy, in eine geeignete Wildtierstation aufgenommen werden.
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Links mit wissenswerten Informationen zum Thema:
Literaturquellen:
Richter, U (2004), Komplexität und Reduzierbarkeit von Stereotypien
Düpjan, S., Puppe, B., Abnormales Verhalten mit dem Schwerpunkt Stereotypien – Indikator für Leiden und beeinträchtigtes Wohlbefinden? in Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 129, Heft 3/4 (2016), Seiten 9–102
Schliefenanlagen und Baujagd existieren im Verborgenen. Das Netzwerk Fuchs klärt gemeinsam mit vielen verschiedenen Tierschutzorganisationen durch die Kampagne „SOS Schliefenfuchs“ über das Leid durch Schliefenanlagen und Baujagd auf, damit beides endlich verboten wird. Die Bevölkerung soll und wird erfahren, was den Füchsen in Schliefenanlagen und durch die Baujagd angetan wird. Wir fordern ein Verbot der Baujagd, die Schließung aller Schliefenanlagen und die artgerechte Unterbringung bzw. wenn möglich, die fachgerechte Auswilderung der Schliefenfüchse.
Schliefenanlagen verbergen sich meistens auf den Grundstücken von Teckel- oder Terrierclubs. Oftmals sind diese von hohen Zäunen oder Sichtschutzwänden vor Blicken der Öffentlichkeit geschützt oder liegen an abgelegenen Orten (z. B. in Wäldern). Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob es sich um eine solche Anlage handeln könnte, schicken Sie uns gerne den Standort an ms@wildtierschutz-deutschland.de. Wir überprüfen ihn auf unserer deutschlandweiten Karte. Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt.