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Rheinland-Pfalz: Abschuss von Saatkrähen während der Brutzeit

  • Dr. Martin Steverding
  • vor 10 Stunden
  • 2 Min. Lesezeit

Wie sieht man einer Krähe an, ob sie Junge zu versorgen hat oder nicht? Eine Antwort auf diese Frage bleibt die rheinland-pfälzische Behörde, die die Genehmigung zum Abschuss von Saatkrähen erteilt hat, schuldig. In Rheinhessen, also in der Gegend rund um Mainz, dürfen ab jetzt einzelne Saatkrähen unter Auflagen geschossen werden. Das Ziel der Genehmigung zur Tötung der geschützten Art ist die Vermeidung von Schäden an Zuckerrübenäckern und Kirschplantagen. Es dürfen von Mitte April bis zum 10. Juni auf Zuckerrübenfeldern und vom 25. Mai bis 31. Juli in Kirschplantagen jeweils bis zu zwei Saatkrähen geschossen werden, wenn sie im Schwarm von mindestens 20 Tieren auftreten. Durch diese Auflage soll verhindert werden, dass Elterntiere betroffen sind und ein qualvolles Verhungern der Jungen im Nest vermieden wird.

Bild (Saatkrähen): www.ranfuchs.art
Bild (Saatkrähen): www.ranfuchs.art

Die durch die SGD (Struktur- und Genehmigungsdirektion) Süd erteilte Genehmigung steht jedoch juristisch auf äußerst wackeligen Beinen und ist ethisch nicht vertretbar. Saatkrähen sind sehr soziale und gesellige Vögel, die in großen Kolonien brüten und auch meistens in Gruppen auf Nahrungssuche gehen. Weil die Landschaften weitgehend aufgeräumt sind, es kaum noch Hecken oder für den Nestbau geeignete Bäume gibt, haben sich Brutkolonien der Saatkrähe häufig in Städte verlagert, so auch nach Mainz. Dort fühlen sich die intelligenten Vögel vor Beutegreifern sicher und gewöhnen sich an den Rummel durch die Menschen.


Zur Nahrungssuche fliegen sie meistens hinaus in die umgebene offene Landschaft. Dabei bilden sie keine festen Schwarmgemeinschaften, sondern fliegen eher in Kleingruppen los und schließen sich anderen Saatkrähen an, denen sie unterwegs begegnen. Die Nahrung suchenden Trupps bestehen also oft aus Individuen unterschiedlicher Brutkolonien und nicht brütenden Junggesellen. Es ist unmöglich in einer Nahrung suchenden Gruppe von Saatkrähen zu erkennen, welcher Vogel Junge zu versorgen hat und welcher nicht. Mit jedem Abschuss einer Saatkrähe im Frühling wird somit billigend in Kauf genommen, dass in einem Nest, das durchaus einige Kilometer von Abschussort entfernt sein kann, die Jungen verhungern. Die Abschussgenehmigung verstößt somit gegen § 17 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes, nachdem einem Wirbeltier keine länger anhaltenden oder sich wiederholenden Schmerzen oder Leiden zugefügt werden dürfen.


Ebenso ist zu hinterfragen, ob auch gegen Absatz 1 desselben Paragrafen verstoßen wird: Demnach dürfen Wirbeltiere nur mit einem vernünftigen Grund getötet werden. Zweifellos sind die Schäden durch die oft großen Schwärme durchaus erheblich. Es ist aber zu hinterfragen, ob nicht mildere Mittel als die Tötung zur Verfügung stehen und hinreichend in Erwägung gezogen wurden. Wurde die Maxime der Vermeidung von Tötungen überhaupt bedacht oder sind tödliche Schüsse das bevorzugte Mittel der Wahl?


Zur Vergrämung von Saatkrähen gibt es sehr viele Erfahrungen. Kaum eine der vielfältigen Vergrämungsmaßnahmen funktioniert dauerhaft, auch hinsichtlich des Abschusses einzelner Krähen liegt die Erfahrung vor, dass diese Maßnahme nicht zielführend ist (1. Zwischenbericht zum Landtagsbeschluss „Projekt zum Management von Saatkrähen“, LFU Bayern, Januar 2021).

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