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  • Lovis Kauertz

Rehkitz lebendig verstümmelt - Verfahren eingestellt

Hören | Es war Ende Mai 2021 als unserem Zeuge am Waldrand von Pfaffenwiesbach (Ortsteil von Wehrheim/Hessen) ein weibliches Reh auffiel, das aufgescheucht durch einen mähenden Traktor von der Wiese flüchtete.

 

Unverzüglich wandte sich der Zeuge an den Landmaschinenfahrer, um ihn darauf hinzuweisen, dass aufgrund seiner Beobachtung sich sehr wahrscheinlich noch ein Rehkitz im zu mähenden Bereich befände. Auf die Frage hin, ob die Wiese vor dem Mähen abgesucht wurde, erhielt der Zeuge die Antwort, „dass die Wehrheimer das schon gemacht hätten, dass es nicht nötig sei und dass er außerdem langsam fahre“, dann mähte er weiter.

 

Das Angebot, kurzfristig die ehrenamtliche Kitzrettergruppe aus Pfaffenwiesbach zu mobilisieren, um eventuelle Kitze oder Bodenbrüter zu lokalisieren und zu sichern, wurde abgelehnt. Der Fahrer erwiderte, das Gras sei nicht zu hoch, er würde langsam fahren und könne somit alles sehen.

 

Eine telefonische Rückfrage beim zuständigen Jagdaufseher ergab allerdings, dass es ihm nicht bekannt sei, dass die Wiese abgesucht wurde. Auch der Landwirt selber, der den Maschinenfahrer beauftragt hatte, konnte das nicht bestätigen.

 

Am gleichen Abend fand eine Anwohnerin ein durch die Messer der Mähmaschine getötetes Kitz auf ebendieser frisch gemähten Wiese. Dem Kitz wurde der Brustkorb aufgeschnitten, ein Bein abgetrennt und der Kiefer halbiert. Es war zur Hälfte vom Gras bedeckt.

 

Der qualvolle Tod des Kitzes hätte vermieden werden können. Der auftraggebende Landwirt hätte zum oder vor dem Mähtermin den Jagdpächter oder die Jagdaufseher informieren können, was nach Aussage der Jagdaufseher nicht geschehen ist.

 

Der Landmaschinenfahrer hätte spätestens nach Kenntnisnahme der Information zu dem aus dem Feld gesprungen Reh umgehend die Mäharbeiten abbrechen und die Wiese absuchen müssen, um seiner gesetzlichen Sorgfaltspflicht, Tiere bei der Mahd nicht zu töten oder gefährden, nachzukommen. Das hat er trotz besseren Wissens nicht getan.

 

Auch der Landwirt ist seiner Pflicht, schweres Leid von sich während des Mähens auf seiner Wiese befindlichen Rehkitzen oder Bodenbrütern abzuwenden, wohl aus Bequemlichkeit oder aus Kostengründen nicht nachgekommen. Er hätte die Wiese vor dem Mähtermin hinsichtlich sich dort befindlicher Tiere absuchen oder wenigstens den Jagdpächter informieren müssen, was er nicht getan hat. Er hätte seinen Erfüllungsgehilfen so nicht zum Mähen schicken dürfen.

 

Wildtierschutz Deutschland hat diesen Vorfall am 9. Juni 2021 bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt zur Anzeige gebracht. Die Ermittlungen gegen den Landwirt wurden im April 2023 eingestellt, obwohl er der sich aus dem Tierschutzgesetz ergebenden Sorgfaltspflicht nachweislich nicht nachgekommen ist. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin die Ermittlungen gegen den heute 26-jährigen Landmaschinenfahrer aufgenommen.

 

Heute wurde das Gerichtsverfahren am Amtsgericht in Bad Homburg gegen den Fahrer eingestellt. Als Auflage zahlt er 300 Euro an eine gemeinnützige Organisation.

 

Ob dieses Verfahren irgendeine abschreckende Wirkung auf Landwirte, die in vermähten Kitzen und bodenbrütenden Vögeln lediglich einen Kollateralschaden sehen, darf bezweifelt werden.

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