Hören - Der Plessenteich bei Neu-Ulm (Bayern) ist als „streng geschütztes“ Vogelschutz- und FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) Teil des 1992 von der Europäischen Union beschlossenen Schutznetzes Natura 2000. Der Plessenteich zeichnet sich besonders durch seine vielfältige Vogelwelt aus. Nach Aussagen von Anwohnern fielen am Morgen des 15. September um 6 Uhr 10, also noch in der Dunkelheit die ersten Schüsse einer Jagdgesellschaft, bestehend aus 33 Schützen und 15 Hunden. Noch zwei Tage später war – außer ein paar Enten – kaum ein Vogel am Plessenteich auszumachen.
Ziel der Jagd in dem Schutzgebiet waren nach Aussagen der Jägerschaft Graugänse, von denen – in nicht belegter Größenordnung – Schäden in der hoch subventionierten Landwirtschaft ausgehen. Mit dem frühen Beginn der Jagd (mehrere Zeugen sollen Schüsse bereits ab 6h10 gehört haben) liegt zumindest ein Indiz für eine nicht ordnungsgemäß und damit ordnungswidrig und nicht waidgerecht durchgeführte Jagd vor. Bei den Sichtverhältnissen vor Sonnenaufgang ist eine sichere Ansprache der Graugänse nicht möglich. Es ist nie auszuschließen, dass sich andere Wasservögel mit den Gänsen vergesellschaften und durch die Störung gemeinsam mit den Graugänsen aufsteigen.
In Deutschland ist die Jagd in Naturschutzgebieten leider nicht grundsätzlich untersagt. Auch für den Plessenteich, der Teil des geschützten Landschaftsbestandteils „Illerschleife nördlich von Gerlenhofen“ ist, sind uns keine jagdlichen Einschränkungen bekannt. Gleichwohl sollte einer verantwortungsbewussten Jägerschaft doch klar sein, dass die groß angelegte Jagd in diesem Schlafgewässer, welches jetzt zur Zeit des Vogelzuges etlichen Zugvögeln eine Rastmöglichkeit bietet, erhebliche Störungen verursacht. Nicht nur, dass für den Vogelzug wichtige Energieressourcen auf der Flucht verbraucht werden, es gibt auch Vogelarten, wie z.B. den Eisvogel, die so störungsempfindlich sind, dass sie bei derartigen Störungen auch schonmal das Weite suchen – für immer. In der Position des Deutschen Jagdverbands zur Waidgerechtigkeit heißt es übrigens zur Selbstbeschränkung des Jägers: „Jedenfalls ist keineswegs alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist.“
Betreut wird der Plessenteich von der Schutzgemeinschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum e. V. In liebevoller Arbeit wurden in den letzten 20 Jahren Vogelbeobachtungs-Holzwände mit Aussichtsluken für Klein und Groß erbaut und ein Aussichtsturm. Von dort lassen sich neben Grau- und Nilgänsen, Rostgänsen, Möwen und Flussseeschwalben auch dort seltene Vogelarten wie Grau- und Silberreiher, Störche, Kiebitz, Regenpfeifer, Rohrdommeln, Eisvögel und sogar seit einiger Zeit ein in Deutschland gefährdeter Fischadler beobachten. Bisher wurden über 233 Vogelarten am See gesichtet.
Im Wasser leben Spiegel- und Schuppenkarpfen, Hechte und zahlreiche Kleinfische. In den ausgiebigen Flachwasserzonen sind Erdkröten, Wasser- und Grasfrösche sowie der seltene Laubfrosch zu sehen und zu hören. Ebenso wie Berg- und Teichmolche profitieren sie besonders von den zahlreichen Kleingewässern, die rund um den Plessenteich angelegt wurden. In den sonnig warmen Randbereichen des Plessenteichs lebt die Zauneidechse, die von den schütter bewachsenen Uferbereichen profitiert.
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Neu-Ulmer Zeitung v. 19. September
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Aktuell setzt sich Wildtierschutz Deutschland mit einer Petition u.a. für ein Jagdverbot in sämtlichen internationalen Schutzgebieten in Europa ein: Bitte hier unterzeichnen
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PS. Noch mehr tier- und naturschutzwidriges Verhalten der Jägerschaft: Wie wir gerade erfahren, organisiert die Ortsgruppe Neu-Ulm des Bayerischen Jagdverbands (das sind die, die es schön und abwechslungsreich finden, Eichelhäher zu jagen) für den frühen Morgen des 30. September eine großflächig angelegte Gänsejagd mit den Jägerschaften zwischen Neu-Ulm, Günzburg, Donauwörth, Augsburg, Schwabmünchen, Krumbach. Wieder dürften etliche Vogelschutzgebiete, insbesondere entlang der Donau zwischen Neu-Ulm und Donauwörth und am Lech zwischen Augsburg und Schwabmünchen betroffen sein.