Hören | Ein Insider der Niedersächsischen Landesforsten berichtet uns von unsäglichem Umgang mit Wildtieren in Forstbezirken des Harzes:
„Dass ein Muttertier [Red.: Hirschkuh] mit dem ungeborenen Kalb erlegt wird, ist rein rechtlich erstmal nicht strafbar. Schlimmer ist die Tatsache, dass es bei fast jeder Drückjagd zu Verstößen gegen den Muttertierschutz kommt, da einzeln vor die Büchse kommende Alttiere [Red.: potenzielle Muttertiere] von den Forstamtsleitern explizit zum Abschuss freigegeben werden, auch wenn das dazugehörige Kalb noch lebt, aber zum Beispiel durch Hunde oder Treiber vom Muttertier getrennt wurde. So kommt es regelmäßig vor, dass am Ende des Jagdtages mehr Alttiere auf der Strecke liegen als Kälber. Die übrig gebliebenen Kälber verhungern meistens über den Winter oder werden von Luchs und Wolf gefressen, wenn sie panisch und verzweifelt ihre getötete Mutter suchen.“
Redaktion: Hirschkälber, sie kommen etwa im Mai/Juni zur Welt, sind ein gutes Jahr lang auf die Führung durch die Hirschkuh angewiesen. Kälber, die ihr „Alttier“ z.B. durch nicht weidgerechte Jagd verlieren, werden von den Rudeln ausgeschlossen, verkümmern und sterben, wenn sie nicht vorher von Luchs oder Wolf gefressen werden.

„Diesen Januar wurden bei einer Drückjagd sehr viele Neugeborene, drei bis vier Tage alte kleine Wildschweine erschossen und auch von den eingesetzten Jagdhunden gepackt und gefressen, weil man auf die Setzzeit der Wildschweine keine Rücksicht mehr nimmt und zum Teil auch die Mutterbachen von einigen Jägern erschossen wurden. In den folgenden Tagen sind die übrig gebliebenen Frischlinge erfroren, weil ihre Mütter in der Wildkammer hingen und sie nicht wärmen und säugen konnten.“
Redaktion: Der Einsatz von Jagdhunden bei Drückjagden ist fast durchgängig nicht weidgerecht. Es werden dort kaum noch kurzbeinige Hunde eingesetzt, die Wildtiere langsam aus den Einständen [Red.: Rückzugsort des Wildtieres] vor die wartenden Jäger drücken. Stattdessen werden langbeinige Hunde eingesetzt, Hundemeuten, stumm jagende Hunde. Bei Drückjagden haben Hundeführer fast ausnahmslos keine Kontrolle über ihre Hunde. Die hetzen, verletzen und töten gesunde Rehe, Hirsche oder eben auch Frischlinge.
„Diese großangelegten Drückjagden werden bis Ende Januar(!) in großer Zahl überall im Harz durchgeführt und das sogar noch bei sehr hohen Schneelagen. Selbst bei 30 cm Schnee und mehr, wenn die Wildtiere ihren Stoffwechsel heruntergefahren haben und sich im Ruhemodus befinden, werden die Jagden nicht abgesagt. Im Gegenteil - in Forstämtern der Niedersächsischen Landesforsten freut man sich, dass Wildtiere wegen des verlangsamten Stoffwechsels und des hohen Schnees langsamer flüchten und somit einfacher zu treffen sind.“
Redaktion: Fehlende Nahrungsquellen im Winter kompensiert das widerkäuende Schalenwild (z.B. Rothirsch, Reh) mit einer Reduzierung physischer Aktivität. Die winterlichen Umstellungen beginnen etwa zur Wintersonnenwende, also kurz vor Weihnachten. Aufgrund des in der Regel knappen Futterangebots kann das Wild deutlich weniger Nahrung und darüber hinaus nur solche von geringerer Qualität aufnehmen, als während des restlichen Jahres. Zur Energieeinsparung reagiert die großen Pflanzenfresser mit physiologischen und anatomischen Anpassungen. Der reduzierte Stoffwechselhaushalt der Wildtiere führt zu verringerter Wachsamkeit, Schnelligkeit und Ausdauer und schränkt sie damit erheblich in ihren Fluchtchancen ein. Sie in dieser Situation, dazu bei hoher Schneelage, im Rahmen einer Drückjagd mit Dutzenden Jägern, Treibern und Hunden zu bejagen, erfüllt Straftatbestände des Bundesjagd- und des Tierschutzgesetzes.
„Ganz nebenbei werden dabei auch Schälschäden des Rotwildes an jungen Bäumen in Kauf genommen, die vor allem dann entstehen, wenn die Tiere im Wintermodus sind und von Hunden und Jägern dann aufgescheucht werden. Aber auch dies spielt dem Forstamt in die Karten, weil durch die selbst provozierten Wildschäden im folgenden Jagdjahr dann gleich wieder die scharfe Jagd auf Rotwild begründet werden kann - nach dem Motto: Die Wildschäden würden ja zeigen, es gäbe noch zu viele Tiere. Aber wer aufmerksam durch die Wälder spaziert dem fällt auf, dass die einst imposante Hirschbrunft von Mitte September bis Mitte Oktober nicht mehr zu hören ist. Die Hirsche werden bereits erlegt, bevor sie mit drei bis vier Jahren das erste Mal stark genug sind, um ihren Brunftruf abzugeben. Nur in den schwer zugänglichen Gebieten des Nationalpark Harz kann man mit etwas Glück noch Brunftrufe hören.
Doch der jetzige Zustand ist nicht das Ziel, es sollen auch die letzten Hirsche im Harz noch erlegt werden. So hat Forstamtsleiter [Name der Redaktion bekannt] die Lappjagd im Forstamt eingeführt, bei der Forstwirte stundenlang über viele Kilometer kurz vor der Jagd Seile mit blauen Lappen spannen. Nach außen hin sollen wir zwar kommunizieren, dass das zum Schutz der Straßen sei, tatsächlich wird intern aber gesagt, dass dies vor allem zum höheren Jagderfolg eingesetzt wird, da die Tiere das Jagdgebiet nicht verlassen können und immer wieder auf die Jäger zulaufen müssen. So kam es zum Beispiel im Bereich Stöberhai im Harz schon dazu, dass ein großes Rudel Rotwild mit über 20 Tieren wegen der blauen Lappen nicht flüchten konnte und die Jäger so lange geschossen haben, bis alle Tiere erlegt waren. Seitdem klagen auch Besucher der Wildtierbeobachtungs-Gaststätte "Bahnhof Stöberhai" darüber, dass es keine Hirsche mehr gibt. Dies wirkt sich wiederum negativ auf den Tourismus aus.
Auch die Gefahr für Teilnehmer der Drückjagden ist gestiegen. Wo früher noch 20 Jäger mit großen Sicherheitsabständen teilgenommen haben, sind es heute meist über 100 Schützen, die dicht an dicht sitzen, damit die umstellten Wildtiere keine Fluchtchancen mehr haben. Auch der Aufwand für die Vorbereitung dieser großen Jagden ist gestiegen. So kostet eine Drückjagd meist über 10.000 Euro, weil viele neue Jagdstände aufgestellt werden müssen. Im Schussfeld störende Jungbäume werden tausendfach im großen Stil weggemulcht, damit die Jäger die Tiere besser sehen und erlegen können. Es wird dem Wild also vorgeworfen es würde Jungbäume verbeißen, die für die Vorbereitung der Jagd dann tausendfach weggesägt werden...und das alles mit Steuergeld!

Ein weiteres Problem ist, dass im Forstamt [der Redaktion bekannt] für das Wild vorgesehene Äsungsflächen immer noch bejagt werden, zum Teil sogar nachts. Hier sollen Wildtiere eigentlich ungestört auf Wiesen fressen können, damit sie die jungen Bäume im Wald nicht verbeißen. Vor kurzem war ich zu einer Beerdigung im Friedwald in Walkenried mit anschließendem Waldspaziergang eingeladen, wo man mich fragte, warum so viele Hochsitze an den großen Wiesen stehen. Das müsste man den Forstamtsleiter mal fragen. Doch werden im Forstamt Mitarbeiter, die diese und alle zuvor genannten Missstände ansprechen, systematisch verfolgt und mundtot gemacht. So wurde vor einem Jahr ein Förster im Forstamt dazu gezwungen, sein Revier aufzugeben mit der Androhung, man würde ihm sonst schon das Leben zur Hölle machen, sollte er den Aufhebungsvertrag nicht freiwillig unterzeichnen. Darüber hinaus wurde Förstern, die die systematische Verfolgung des Rotwildes kritisiert haben oder nicht zu 100 Prozent umsetzen wollten, die eigene Durchführung der Jagd untersagt und einem Berufsjäger übertragen.
Dieser nimmt keine Rücksicht auf die Tiere, will jede sich bietende Schusschance nutzen und schießt so jedes Jahr dutzende Tiere nur an, die teilweise selbst mit Unterstützung eines ausgebildeten Schweißhundes nicht gefunden werden und elendig vor sich hinsterben. Hinzu fährt er nachts mit seiner Wärmebildkamera umher, um das Wild auszuspionieren und die Jagden somit erfolgreicher zu machen.
Auch eine Drohne soll zum Einsatz kommen, um zu schauen, wo sich die letzten Hirsche aufhalten, um sie dann zu umstellen. Aber auch der Forstamtsleiter selbst sowie einige Förster fallen immer wieder durch schlechte Schüsse auf, weil sie auch auf hochflüchtige Tiere schießen, die wegen ihrer schnellen Sprünge nur sehr schwer zu treffen sind. Hier wird Tierleid billigend in Kauf genommen, zudem werden die Tiere oft erst nach Tagen gefunden und müssen in der Abfalltonne entsorgt werden. Vernünftige Jäger werden gegen schießgeile Schützen aussortiert, so wird zum Beispiel auch der Sohn des Forstamtsleiters eingeladen, der auf einer Jagd mit sieben Schüssen auf ein kleines Rehkitz aufgefallen ist. Das Tier konnte man natürlich nicht mehr essen, es musste wegen der vielen Löcher entsorgt werden. Zu Beginn jeder Jagd wird vom Forstamtsleiter deshalb nochmal betont, dass man keine Bilder oder Filmaufnahmen machen soll, damit solche leider hier alltäglichen Geschehnisse nicht nach außen an die Öffentlichkeit dringen. Er sieht dabei seine Position als zukünftiger Präsident der Niedersächsischen Landesforsten in Gefahr. Transparenz kann sich eben nur derjenige leisten, der nichts zu verbergen hat.“
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Exkurs: Whistleblower / Hinweisgeber
In Deutschland werden Whistleblower durch das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) geschützt, das 2023 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz dient dazu, Personen zu schützen, die Informationen über Rechtsverstöße oder Missstände in Unternehmen oder Behörden melden.
Hier sind die wichtigsten Aspekte des Whistleblower-Schutzes in Deutschland:
1. Schutz vor Repressalien:
Das HinSchG verbietet Repressalien gegen Whistleblower, wie z. B. Kündigungen, Versetzungen oder Mobbing.
Bei Repressalien im zeitlichen Zusammenhang mit einer Meldung greift eine Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die Repressalie nicht im Zusammenhang mit der Meldung steht.
2. Meldestellen:
Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit mehr als 50 Beschäftigten müssen interne Meldestellen einrichten.
Es gibt auch externe Meldestellen, z. B. beim Bundesamt für Justiz.
Whistleblower können wählen, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden.
3. Vertraulichkeit:
Die Identität des Whistleblowers wird grundsätzlich vertraulich behandelt.
4. Anonyme Meldungen:
Die Entgegennahme anonymer Meldungen ist nicht verpflichtend, wird aber in vielen Fällen ermöglicht.
Wichtige Punkte:
Das Gesetz schützt Whistleblower, die Informationen über Verstöße gegen das EU-Recht oder das nationale Recht melden.
Der Schutz gilt auch für Personen, die im Zusammenhang mit der Meldung helfen, wie z. B. Vertrauenspersonen.