Hören | Bei der „Pirsch“, einem deutschen Magazin für Jägerlatein, ist man einiges gewohnt. Immer wieder wird gegen angeblich gefährliche Tiere gehetzt, damit sich die Jäger einmal mehr als bewaffnete Retter in Szene setzen können. Der Artikel „Artenschutz vs. Umweltschutz: Ist der strenge Biberschutz notwendig?“ vom 17.01.25, ist aber selbst für dieses Magazin starker Tobak. Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unwahrheiten verschmelzen – wie so oft in diesem Blatt – zu einem schwer zu überschauenden Brei. Den streng geschützten Biber hält die Redaktion für einen „Schadnager“. Wir nehmen einige der Aussagen nachfolgend unter die Lupe:
Von den landesweit angeblich 4.200 Bibern soll die Hälfte im Oderbruch leben. Tatsächlich aber hat Brandenburg mehrere gute Bibervorkommen, unter anderem an der Havel, im brandenburgischen Teil der Elbaue und an den zahlreichen Seen im Norden des Bundeslandes. Es ist daher nicht glaubwürdig, dass die Hälfte der Biber allein an der Oder lebt. Dieser Wert wurde vermutlich einfach erfunden.
Beim Hochwasser im Herbst 2024 sei es gemäß der Aussagen der Jagdzeitschrift zu einer wahren „Biberschwemme“ gekommen. Der Autor spricht von hunderten von Schadstellen an der Grasnarbe und tiefen Eingrabungen. Die Gefahr von Deichbrüchen habe sich zugespitzt. Auf unsere Nachfrage hin bei allen betroffenen Landkreisen war über derartige Schäden nichts bekannt.
Weiter heißt es „Um die Gefahrenlage zu entschärfen, trat eine Ausnahmeregelung in Kraft, die den Weidmännern der Oderreviere den ganzjährigen Biberabschuss erlaubt.“ Auch diese Aussage stimmt schlichtweg nicht. Der Biber ist nach wie vor eine streng geschützte Art und die brandenburgische Biberverordnung erlaubt Entnahmen (Tötungen) nur direkt an Hochwasserschutzanlagen. In Schutzgebieten (der Großteil der Oderaue ist Natura 2000- und/oder Naturschutzgebiet) sind Entnahmen nur mit gesonderter Genehmigung bzw. Prüfung möglich. Wenige Sätze später widerspricht sich der Artikel dann selbst und nennt jahreszeitliche und örtliche Beschränkungen für die Abschusserlaubnis.
Bemerkenswert ist auch, dass sich ein gewisser Frank Kütbach damit brüstet, gemeinsam mit seinen Mitpächtern schon Hunderte Biber erlegt zu haben. Sollte das stimmen, ist die Legalität dieser Abschüsse stark zu bezweifeln und sollte strafrechtlich geprüft werden.
Zu jedem Jägerlatein gehört auch die Mär von der Überpopulation. Indizien dafür seien unter anderem die hohe Mortalität durch Revierkämpfe. Dies zeigt aber schlicht und einfach, dass der Biberbestand sich nun über das Revierverhalten selbst reguliert und eben diese Überpopulation dadurch vermieden wird. Diesen Umstand akzeptiert der Autor Reinhard Schneider natürlich ungern, denn dieser natürliche Prozess zeigt, wie so oft, dass Jagd überflüssig ist.
Ebenso zum Jägerlatein gehört eine gehörige Portion Dramatik: „Die Schäden durch die großen Nager sind verheerend (…) Gravierend sind die ökologischen Folgen. Der Gänse- und Kranichbesatz ist rückläufig, da Schilflöcher als Brutplätze überschwemmt werden. Ebenfalls nimmt die Zahl der Rohr- und Wiesenweihen sowie baumbrütender Arten wie des Wiedehopfs ab“. Für diese steilen Thesen bleibt der Autor jegliche Belege oder auch nur Hinweise schuldig, man kann sie unter Nimrods Märchenstunde abspeichern.
Wir möchten nicht verschweigen, dass Konflikte mit Bibervorkommen bestehen. Es gibt aber in den meisten Fällen Lösungen, die für beide Seiten verträglich sind, für Mensch und für Biber. Jägerlatein, populistische Hetze und der Ruf nach dem Retter mit der Waffe bringen uns nicht weiter. Das Problem lässt sich nicht wegballern, die Situation ist ganz offensichtlich für dieses Blatt zu komplex und zu vielschichtig.
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