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Dr. Martin Steverding

Fuchsjagd – einfache Scheinlösung für komplexe Probleme

Hören | Populismus ist gerade in Mode. Allerhand Schreihälse dominieren die Schlagzeilen der Politik und präsentieren scheinbar einfache Lösungen für die vielen komplexen Probleme. Wir sollten nicht verkennen, dass diese Trumps und Höckes gar nicht an Lösungen interessiert sind, sondern genau am Gegenteil: Sie wollen die Probleme aufrechterhalten, damit sie als vermeintliche Retter weiterhin Wählerstimmen sammeln können.


Was hat das mit Jagd zu tun? Eine ganze Menge: Genauso wie beim politischen Populismus inszeniert man sich gern als Retter – in diesem Fall als Retter der Artenvielfalt.


Wir fragen uns: Ist das Interesse wirklich die Biodiversität oder geht es um die Bewahrung spannender Jagdarten wie die Fallen- und die Baujagd?


Nasser Fuchs im Feld Jagd ist kein Artenschutz
Rößler stellt mal wieder die steile These auf, dass man nur genug Füchse töten müsse, um die Bodenbrüter zu retten. Bild: Klaus-Peter Impekoven

Der Berufsjäger Paul Rößler stellt in einem aktuellen Artikel der Pirsch vom 13. April mal wieder die steile These auf, dass man nur genug Beutegreifer - vor allen Dingen Füchse - töten müsse, um die Bodenbrüter bzw. die Wiesenvögel zu retten. Das Habitat der Wiesenvögel sei nicht das Problem, denn sie würden ja durch ihr Vorkommen zeigen, dass es geeignet ist.


Rößler kritisiert dabei sogar seine eigene Zunft, viele Jäger würden nicht genug tun – also das „Raubwild“ nicht intensiv genug dezimieren. Seine Absicht ist – wenn man einige seiner Artikel gelesen hat – leicht erkennbar: Ihm geht es erstens darum, weiter dem Jagdspaß zu frönen, insbesondere den herbstlichen und winterlichen Gesellschaftsjagden. Beutegreifer wie der Fuchs, die ihm den einen oder anderen Hasen oder Fasan wegnehmen könnten, sollen dafür sterben. Zweitens betreibt er Greenwashing für die Landwirtschaft: Man müsse nur genügend Beutegreifer umbringen, dann funktioniere Wiesenvogelschutz auch in der konventionellen Agrarlandschaft – ein Schelm, wer dabei Böses denkt und sich fragt, wer ihn dafür bezahlt. Sicher weiß er selbst, dass das niemals funktioniert. Er weiß aber ebenso, dass er dann immer wieder sein Totschlagargument aus der Mottenkiste holen kann: Es werde einfach nicht genug „Raubwild“ getötet.


Jetzt zum Faktencheck: Die meisten Gelegeverluste bei Bodenbrütern geschehen durch Säugetiere wie Fuchs, Marder, Waschbär, Ratten etc., das ist korrekt. Kükenverluste sind nicht so leicht zu erforschen wie Gelegeverluste. Hier ist der Anteil von Vögeln als Prädatoren [1] offensichtlich höher, beispielsweise Krähen, Graureiher oder Mäusebussarde.


Prädation ist allerdings ein uralter natürlicher Faktor, der in jedem Ökosystem ein sehr wichtiges Regulativ darstellt. Wenn ein Prädator, zum Beispiel der Fuchs, ausgelöscht wird, übernehmen andere Beutegreifer schnell seine Stelle. Wenn diese dann ausgelöscht werden, übernehmen die nächsten Beutegreifer usw. In unserer intensiv genutzten und überdüngten Landschaft bleibt als quasi unbekämpfbarer Beutegreifer am Ende wahrscheinlich meistens die Wanderratte übrig. Sie kann sich dann ohne natürliche Feinde ungehindert vermehren und ausbreiten – das will kein Landwirt wirklich.


Die Prädationsrate der Bodenbrüter, also der Anteil Eier oder Küken, der von Beutegreifern aller Art erbeutet wird, hängt bei weitem nicht nur von der Bejagungsintensität ab, sondern von sehr vielen weiteren Faktoren. Aufgrund der Komplexität können hier nur einige genannt werden:


  • Das Angebot an Insekten als Jungennahrung, das darüber entscheidet, wie schnell die Jungvögel heranwachsen und wie fit sie sind (schnelleres Wachstum = kürzere Zeit mit hohem Prädationsrisiko).


  • Die Dichte des Kiebitzes als aggressiver Verteidiger gegen Beutegreifer: In Gebieten mit hoher Kiebitzdichte ist das Prädationsrisiko für alle Bodenbrüter nachweislich geringer.


  • Die Vegetationsstruktur: leichtes Bodenrelief und mosaikartig unterschiedliche Vegetationsstrukturen machen Bodennester schwerer auffindbar und bieten den Küken mehr Versteckmöglichkeiten als einheitliche maschinengerechte Flächen.

  • Die Bodenfeuchtigkeit: Auf nassen Flächen leben weniger Wühlmäuse, weshalb sie für alle mäusefressenden Prädatoren wie Fuchs, Wiesel, Mäusebussard oder Eulen weniger attraktiv sind.


Dies sind – wie oben geschrieben - nur einige von vielen Einflussfaktoren. Die Problematik der Prädation ist sehr vielschichtig. Einfache Scheinlösungen dafür zu präsentieren, ist Populismus – und der ist Gift, sowohl für die Ökosysteme als auch für unsere Gesellschaft. Es bedarf durchdachter Lösungen, die der Vielseitigkeit des Problems gerecht werden – bei den Bodenbrütern ist die wichtigste Stellschraube der Lebensraum in all seiner Diversität. Ein „weiter so“ in der Landwirtschaft, wie es die EU gerade zulässt, werden viele Wiesenvögel definitiv nicht überleben – unabhängig davon ob Prädatoren bejagt werden oder nicht.

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[1] Als Prädator wird bezeichnet, wer andere Lebewesen oder auch Vogeleier zwecks Nahrungsverwertung erbeutet.

 

Wichtigste Literaturquelle zum Thema Prädation und Wiesenvögel:

Teunissen, W., C. Kampichler, F. Majoor, M. Rodbergen & E. Kleyheeg (2020): Predatieproblematiek bij weidevogels. Sovon-rapport 2020/41


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