Ich vermute mal, dass Sie in der Natur bisher kaum einen Dachs beobachtet haben. Wenn überhaupt, findet man die kräftigen, marderartigen Tiere tot am Straßenrand. Neben der Jagd (etwa 65.000 Abschüsse pro Jahr in Deutschland) ist der Autoverkehr (ca. 25.000 Unfallopfer) der größte Feind dieser doch recht seltenen, nachtaktiven Tierart.
Seine Nahrung besteht in Mitteleuropa (mit geringen regionalen Unterschieden) ganz überwiegend aus Regenwürmern[1]. Weitere wesentliche Nahrungsbestandteile sind kleinere Wirbeltiere, vor allem Mäuse, Aas, Insekten, Schnecken und zudem Kirschen, Zwetschgen, Äpfel oder Brombeeren[2]. Getreide wird auch während der Reifezeit kaum als Nahrungsmittel genutzt[3].
Der Dachs hat sich hierzulande schon einmal in einer sehr kritischen Bestandsituation befunden. Als nämlich gegen Ende der 1960er Jahre Jagdverbände und Politik der irrigen Meinung waren, durch die Begasung von Fuchs- und Dachsbauen die Tollwut ausmerzen zu können, wurde etwa 80 Prozent des Dachsbestands ausgelöscht. Erst ab Mitte der 1990er Jahre konnte sich die Zahl der „Grimbarts“ wieder erholen.
Für das Umweltministerium in Mainz gelten aus diesem Grunde die jährlichen Jagdstrecken von jeweils über 5.000 Dachsen in Rheinland-Pfalz als Ergebnis „ausgewogener Regelungen und Formen im Umgang mit dieser Wildart“. Die Rheinland-Pfälzer lassen die nachtaktiven Allesfresser sogar über die Jagdzeit des Bundesjagdgesetzes von August bis Oktober hinaus bis Ende Dezember bejagen. Es ist den Jägern auch erlaubt, die Tiere mit Hunden in ihren Bauen zu bejagen, sie in Fallen zu fangen und die über Jahrzehnte genutzten Rückzugsorte mit Schaufel und Bagger zu zerstören.
Allein die Tatsache, dass der Dachs derzeit im Bestand als nicht gefährdet gilt, gibt keinen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes für die Jagd her[4]. Wohl deshalb konstruiert das jagdaffine Ministerium Gründe, die für die Begründung einer flächendeckenden Jagd nicht haltbar sind:
Grimbart falle auf, weil er Grabsteine umstürze und Grabbepflanzungen verwüste. Außerdem sagen ihm die Verantwortlichen des zuständigen Referats „häufige Meldungen über Schäden im landwirtschaftlichen Bereich“ nach. Dabei dürfte es sich überwiegend um unerhebliche, also zumutbare Schäden, noch dazu auf Maisfeldern handeln. Auch das ist kein Grund, dem Dachs, der im Übrigen durch die Jägerschaft in der Regel nicht verwertet wird, jagdlich nachzustellen. Denn der Tierschutz hat in der heutigen Gesellschaft eine so überragende Bedeutung, dass es im Allgemeininteresse liegt, dass der Grundbesitzer unerhebliche Einbußen an seinem Eigentum zugunsten des Tier- und Naturschutzes hinnehmen muss.
Es gibt also weder rechtliche, noch ökologischen, ökonomische oder epidemiologische Gründe, die eine flächendeckende Bejagung des Dachses nachvollziehbar begründen. In Mainz – wie wohl in den meisten Ministerien weiterer Bundesländer – liegen nicht einmal belastbare Daten zu einer Evaluierung jagdlicher Maßnahmen gegen Dachse vor, die auch nur annähernd einen vernünftigen Grund für die Jagd belegen könnten. Die imposanten Tiere leben in einem festen Sozialgefüge, wodurch die Reproduktion nachhaltig eingeschränkt ist. Jungdachse (die ganzjährig ohne Schonzeit bejagt werden dürfen) bleiben in vielen Fällen 12 Monate und länger im Familienverbund. Dadurch ist auch das Töten von erwachsenen Tieren unter dem Gesichtspunkt des Elternschutzes und damit des Tierschutzrechts mehr als kritisch zu betrachten.
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[1] Krapf, Pflanzliches Nahrungsspektrum und -angebot des Dachses (Meles meles L.) im Sihlwald, 1997, S. 3 und 15, http://www.parcs.ch/wpz/pdf_public/2014/9144_20140320_144333_hkrapf_1997_dachs.pdf [2] Krapf, Nahrungsspektrum, S. 3 und 6. [3] Krapf, Nahrungsspektrum, S. 16
[4] Dazu: Der vernünftige Grund zur Tötung eines Tieres am Beispiel der Dachsjagd – § 17 Nr. 1 TierSchG im Lichte des Art. 20a GG und des Allgemeinen Teils des StGB von Sönke Florian Gerhold