In dieser Woche ist der Referentenentwurf zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes bekannt geworden. Mit den Änderungen will Klöckner eine „Naturverjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen“, die Kontaminierung von Wildfleisch mit Blei reduzieren und ein einheitliches bundesweites Prüfungsniveau für die Jägerprüfung erreichen.
Das Gesetz soll „einen angemessenen Ausgleich zwischen Wald und Wild herstellen“. Durchgesetzt haben sich hier die Vertreter der Devise „Wald vor Wild“. Das sind die großen privaten Waldbesitzer, die staatlichen Forstämter und der Ökologische Jagdverband. Verlierer sind wieder einmal die Tiere. Von Verbesserungen hinsichtlich des Tierschutzes kann man kaum reden, es überwiegen die Maßnahmen, die zu noch mehr Abschüssen insbesondere des Rehwilds führen sollen:
"Ausgleich zwischen Wald und Wild" bedeutet nichts anderes als "Wald vor Wild" - am liebsten einen Wald ohne Wild. Bild: Timo Litters
Das Verbot von Nachtzielgeräten, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind, wird für Wildschweine gänzlich aufgehoben. Es ist davon auszugehen, dass diese nicht kontrollierbare Regelung auch für die nächtliche Jagd auf andere Tierarten missbraucht wird. Insgesamt werden die Wildtiere durch die nächtlichen Jagdaktivitäten erheblich beunruhigt, was wiederum den Verbiss an jungen Bäumen befördern dürfte.
Das Gesetz verbietet die Herstellung, den Kauf und Verkauf und die Nutzung von Tellereisen. Wünschenswert und sinnvoll wäre die Ausweitung dieser Bestimmung auf sämtliche in Deutschland nicht für die Jagd zugelassenen Fanggeräte.
Im Umkreis Wildquerungshilfen dürfen Ansitzeinrichtungen nur vorübergehend und kurzzeitig im Falle einer Gesellschaftsjagd errichtet und genutzt werden. Diese Bestimmung ist so unnütz und unkontrollierbar, wie ein Großteil des Bundesjagdgesetzes. Richtig wäre das völlige Verbot der Jagd im Umkreis von mindestens 500 Metern um eine Querungshilfe.
Die Idee eines verpflichtenden, jährlich zu erneuernden Schießübungsnachweises für die Teilnahme an Gesellschaftsjagden ist im Grunde nicht zu verachten. Da der Nachweis allerdings lediglich die Teilnahme bestätigt, nicht aber das Schießvermögen belegt, wird diese Verpflichtung im Hinblick auf mehr Tierschutz nach wie vor häufig ins Leere laufen.
Der behördliche Abschussplan für Rehe soll ersetzt werden durch die jährliche Vereinbarung eines Mindestabschusses. Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass in Deutschland noch mehr als bereits etwa 3.000 Rehe pro Tag abgeschossen werden sollten, um einen kostengünstigen Waldumbau zu ermöglichen. Dieser Aktionismus wird unseres Erachtens nicht funktionieren. Die Zahl der Rehe in Deutschland bewegt sich seit vielen Jahren etwas unterhalb der Kapazitätsgrenze ihres Lebensraums. Das bedeutet, dass der jagdliche Eingriff letztlich nur eine Erhöhung der Reproduktion der Tiere bewirken wird und der Bestand am Ende mehr oder weniger konstant bleibt.
Die dann noch intensivere Jagd in dem Land mit den längsten Jagdzeiten in Europa wird keineswegs dazu führen, dass Rehe und andere Paarhufer insgesamt weniger Bäume schädigen. Dafür gibt es sogar schon Belege aus der Wald-vor-Wild-Hochburg Bayern. Trotz einer jahrelangen Intensivierung der jagdlichen Aktivierung in den Staatswäldern Bayerns bekommt man dort den „störungsfreien“ Waldumbau keineswegs in den Griff. Manchem Waldbesitzer wäre es lieb, sämtliches Schalenwild aus den Wäldern zu verbannen.
Lösungsansätze liegen unseres Erachtens in der massiven Reduzierung der Jagdzeiten auf die Monate Oktober bis Dezember eines Jahres und die gleichzeitige Ausweisung von jagdfreien Arealen, die jeweils etwa ein Drittel eines jeden Landkreises ausmachen, und die Schaffung von Äsungsflächen und -zonen. Die Jagd in den nahrungsarmen ersten Monaten des Jahres provoziert in hohem Maße Waldschäden durch Verbiss.
Derart zugegebener Maßen radikale Änderungen der Jagdgesetzgebung würden wohl durch einen überwiegenden Teil der Wähler mitgetragen werden. Alleine schon die Tatsache, dass die Politik in Deutschland im Wesentlichen von Jägern, Land- und Forstwirten und Lobbyisten bestimmt wird, lässt diese vielleicht erfolgreichere Idee scheitern.
Die Klöckner-Novellierung lässt ganz wesentlichen Änderungsbedarf der Jagdgesetzgebung außen vor. So wäre es an der Zeit gewesen, unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Weidgerechtigkeit“ oder „Hege“ durch klare, nachvollziehbare und kontrollierbare Definitionen zu ersetzen. Vor 26 Jahren ist der Tierschutz zum Staatsziel erklärt worden. Im Bereich der Jagd hat sich seitdem – abgesehen von Ausnahmen in Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung – nicht viel getan. Vor allen Dingen steht nach wie vor die Überprüfung des Verzeichnisses der jagdbaren Arten hinsichtlich eines vernünftigen Grunds gemäß des Tierschutzgesetzes an.