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Borken: Der einsame Biber wird 18

Dr. Martin Steverding

Hören | Biber sind hochgradig soziale Wesen, die im Familienverband leben, gemeinsam fressen, kuscheln und spielen. Wie stark ihr Sozialverhalten ist, kommt in dem Buch „Gestatten: Biber“ zum Ausdruck, in dem die Autoren Bettina und Christian Kutschenreiter von ihrer intensiven und viele Jahre währenden Freundschaft mit wildlebenden Bibern berichten. Biber sind in der Lage, soziale Kontakte mit Menschen aufzubauen, mit ihnen zu interagieren, sich auf Menschen einzulassen – natürlich nur nach jahrelanger intensiver Beobachtung, großer Vorsicht und ganz allmählicher Gewöhnung.

schwimmender Biber
Bild (Ausschnitt): Leopold Kanzler

Kaum vorstellbar, dass ein solches Gemeinschaftswesen allein ohne Kontakt zu Artgenossen lebt – nicht etwa in Gefangenschaft, sondern frei. Wir berichteten vom einsamen Biber im Flüsschen Bocholter Aa in Borken in Westfalen, an der Grenze zum Niederrhein:


Im Jahr 2009 tauchte er im renaturierten Abschnitt des ansonsten weitestgehend begradigten kleinen Flusses bei Borken auf. Seitdem sind seine Spuren kontinuierlich zu finden – bis heute. Es gab zu keinem Zeitpunkt Anzeichen dafür, dass mehr als ein Biber anwesend war und es gab auch keine Anzeichen dafür, dass zu irgendeinem Zeitpunkt kein Biber vor Ort war. Es deutet somit vieles darauf hin, dass es sich seit 16 Jahren um ein und dasselbe Tier handelt. Da Biber in der Regel im Alter von zwei Jahren ihren Familienverband verlassen, können wir davon ausgehen, dass der Biber in diesem Frühjahr das stolze Alter von 18 Jahren erreicht. Er ist damit ein Bibergreis oder eine Greisin (das Geschlecht lässt sich äußerlich nicht bestimmen) und bald an der Obergrenze der Lebenserwartung angekommen.


Wie ist es möglich, dass dieser Biber so lange allein lebt und in absehbarer Zeit wahrscheinlich einsam sterben wird? Wie schon im Herbst 2023 beschrieben, ist es nicht leicht für einen Biber, die Bocholter Aa aus den Niederlanden kommend, hinauf zu schwimmen. Es sind Wehre und lange Flussstrecken zwischen senkrechten Spundwänden zu überwinden. Der Landweg kommt schon allein wegen des dichten Straßennetzes nicht in Frage. Aber die Durchlässigkeit der Bocholter Aa hat sich seit 2009 zumindest leicht verbessert und der Populationsdruck der Biber im niederländischen Einzugsgebiet hat zugenommen. Eine Zuwanderung weiterer Biber wäre damit längst überfällig.


Der wahrscheinliche Hauptgrund, dass kein weiterer Biber folgt, ist die Nutriabekämpfung: Es werden in der Bocholter Aa und in vielen weiteren Gewässern Nordrhein-Westfalens offene, unverblendete Totschlagfallen, sogenannte Leprich-Fallen, gegen Nutrias aufgestellt. Beködert werden sie mit Äpfeln, die zur Lieblingsspeise des Bibers gehören und auch vom Otter nicht verschmäht werden, der zur Abwechslung ganz gern mal Obst snackt.


Nach Angabe der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Borken werden zwar im bestehenden Biberrevier keine Totschlagfallen aufgestellt, aber wie soll ein weiterer Biber zuwandern, wenn die gesamte Flussstrecke bis dorthin mit Fallen gespickt ist? Bisher gab man uns keine Auskunft darüber, wie viele dieser Fallen aufgestellt sind und ebenso wenig Auskunft bekamen wir auf die Frage, wie denn Beifang ausgeschlossen wird. Neben den streng geschützten Arten Biber und Otter sind schließlich Wasservögel und auch Hunde und Menschen gefährdet. Mit großer Sicherheit besteht dieses Problem bei weitem nicht nur in der Bocholter Aa, sondern auch in zahlreichen weiteren Gewässern in NRW.


Unsere Forderung, diese Praxis zu beenden, wurde von den Behörden bislang ignoriert. Unseres Erachtens liegt hier nicht nur ein Verstoß gegen die strengen Artenschutzbestimmungen für Biber und Otter vor, sondern auch eine potenzielle Gefährdung von Personen und zahlreichen weiteren Tierarten. Zudem ist die praktizierte Nutriabekämpfung allein schon aus ethischen Gründen fragwürdig.

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