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Dr. Martin Steverding

110 getötete Biber - Strenger Artenschutz und wie man ihn aufweicht

Während des jüngsten Hochwassers an der Oder in Brandenburg sind laut dem Liveblog auf rbb24.de 110 Biber präventiv getötet worden, 70 Tiere im Kreis Märkisch-Oderland und 40 im Kreis Oder-Spree (1). Als Grund wurde die Gefahr angegeben, dass die bei Hochwasser auf den Deichen Schutz suchenden Biber diese durch Graben von Höhlen bzw. Bauen gefährden könnten.

Eine Anfrage von Wildtierschutz Deutschland an die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Märkisch-Oderland blieb bisher unbeantwortet. Lediglich einer der vier ehrenamtlichen Biberberater meldete sich umgehend: Ihm sei die Tötungsaktion nicht bekannt – sehr erstaunlich, da darüber sogar auf tagesschau.de und im Spiegel berichtet wurde. Ob eine nennenswerte Gefahr für die Deiche durch Biber bestanden hat, die eine Ausnahme vom strengen Artenschutz gerechtfertigt hätte, bezweifeln wir, wie wir hier bereits berichteten.


Nicht nur in Brandenburg wird mit dem hohen Schutzstatus des Bibers recht locker umgegangen, noch gravierender ist die Situation in Bayern. Dort heißt es in der „Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung: „Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit wird nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG gestattet, Bibern (Castor fiber) in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG dürfen Biberdämme, soweit besetzte Biberburgen nicht beeinträchtigt werden, und nicht besetzte Biberburgen beseitigt werden.“ Erlaubt sind die Tötungen z. B. an Kläranlagen und an gefährdeten Hochwasserschutzanlagen wie Stauwehren, Dämmen und Deichen, sowie in Bereichen, die von der Unteren Naturschutzbehörde festgesetzt werden können. Bei dieser Festsetzung besteht offensichtlich ein erheblicher Ermessensspielraum.


Als Folge dieser systematischen Aufweichung des strengen Artenschutzes werden in Bayern jährlich mehr als 2.000 Biber nach bayerischer Gesetzgebung legal getötet. Für 2021 lag die Zahl der „entnommenen“ (= getöteten) Biber laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung bei etwa 2.100 (2).


Biber, Otter und Wolf waren noch vor wenigen Jahren in Deutschland fast oder ganz verschwunden. Sie haben aktuell Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes wiederbesiedelt, alle drei sind aber von einem flächendeckenden guten Erhaltungszustand noch sehr weit entfernt. Dennoch stehen sie unter Druck, der Biber durch die oben genannten Tötungen und auch viele Otter wurden in Bayern bereits „entnommen“.


Ganz besonders unter Druck steht der Wolf, dessen EU-weite Senkung des Schutzstatus in die Wege geleitet wird. Alle drei Arten zeigen, dass selbst die höchste mögliche Schutzkategorie den Arten nur bedingt Schutz bietet. Eine Koexistenz von Menschen und großen Wildtieren ist möglich, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Dieser Wille muss auch die Bereitschaft von Politikern und Behörden beinhalten, wirklich Betroffene hinreichend zu unterstützen. Für eine friedliche Koexistenz mit Bibern gibt es viele gute und in der Praxis geprüfte Möglichkeiten, die ohne Tötung auskommen (1).

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