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Lovis Kauertz

Afrikanische Schweinepest: Forderungen nach intensiverer Jagd auf Wildschweine nicht zielführend

In Polen und Tschechien steht die Afrikanische Schweinepest (ASP) in den Startlöchern, um den Sprung über die noch etwa 400 bis 500 km entfernte Grenze nach Deutschland zu machen. Das kann relativ rasch gehen oder auch noch zwei, drei Jahre dauern. Von Georgien (2007) bis zum Baltikum hat die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest sieben Jahre gedauert. 2014 wurden auch erste Fälle an der Ostgrenze Polens registriert. Der Sprung nach Tschechien (Entfernung ca. 600 km) hat weitere drei Jahre gedauert.

Afrikanische Schweinepest in Georgien 2007

Bis zum Oktober 2007 sind in Georgien ausschließlich Hausschweine infiziert (rote und dunkelgraue Punkte).

Dass das Virus - das für den Menschen ungefährlich ist - kommen wird, darüber sind sich die meisten Experten einig. Man weiß auch, wie das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Deutschland eingeschleppt wird: Als riskante Einschleppungswege für die ASP sieht das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) vor allen Dingen die illegale Einfuhr von infizierten Schweinen und von tierischen Nebenprodukten aus Osteuropa. Auch andere indirekte Übertragungswege (Fahrzeuge, kontaminierte Ausrüstungsgegenstände, einschließlich Jagdausrüstung, landwirtschaftlich genutzte Geräten und Maschinen, Kleidung) sind ein Risiko. Wildschweine haben dagegen weder auf dem Weg der Seuche von Georgien nach St. Petersburg eine entscheidende Rolle gespielt, noch werden sie aller Voraussicht nach das Virus nach Deutschland einschleppen. Dafür sind die Entfernungen viel zu groß.

Afrikanische Schweinepest in St. Petersburg 2012

In den Folgejahren breitet sich das Virus zunächst nördlich von Georgien in Russland

aus. Jetzt sind auch Wildschweine infiziert (transparente Punkte). Im November 2011 wird das Virus erstmals nördlich des Baltikums im ca. 1.600 km entfernten St. Petersburg festgestellt – in einem Hausschweinebestand.

Jeder Politiker, jeder Jagd- oder Bauernfunktionär wird Lügen gestraft sein, wenn er die Forderungen nach noch intensiverer Jagd auf Wildschweine mit dem Risiko der Einschleppung der ASP begründet. Die Wildschweinedichte in Deutschland hat keine Auswirkung auf das Risiko der Einschleppung der ASP.

Etwas anderes wäre es, eine wie auch immer geartete Wildschweinedichte durch intensivere Jagd reduzieren zu wollen, um im Falle eines Ausbruchs der ASP in Deutschland ein geringeres Risiko der Verbreitung durch Wildschweine zu haben. Doch ist das mit jagdlichen Mitteln gar nicht erreichbar.

Afrikanische Schweinepest Polen Litauen 2014

Mehr als zwei Jahre später tauchen im Februar 2014 erste Fälle der ASP in Wildschweinepopulationen (blau) in Litauen und der Ostgrenze Polens auf.

Darauf hat Wildtierschutz Deutschland bereits 2011 aufmerksam gemacht, als ein Teil der Presse mal wieder eine angebliche Wildschweinschwemme im Fokus hatte, oder 2013, als die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Höfken (Die Grünen) durch die endgültige Abschaffung der Schonzeit für Wildschweine lokal Furore machte, um Schäden in der Landwirtschaft zu reduzieren und „mehr zum Tierschutz beizutragen“. Aber weder ist das seit 2002 erstmals in Rheinland-Pfalz angewandten Bejagungskonzept für Wildschweine aufgegangen, noch das anderer Bundesländer. Heute werden in Deutschland unter Nichtbeachtung von Tierschutznormen mehr Wildschweine abgeschlachtet, als je zuvor.

Afrikanische Schweinepest in Tschechien 2017

In den nächsten drei Jahren verbreitet sich die Afrikanische Schweinepest fast flächendeckend im Ostteil der baltischen Länder. Im Juni 2017 macht die ASP erneut einen Sprung von etwa 600 Kilometern und wird erstmals bei einem Wildschwein im Osten Tschechiens nachgewiesen.

Die europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA – European Food Safety Authority) hat 2014 einen wissenschaftlichen Bericht veröffentlicht, der vor dem Hintergrund der Vermeidung von Eintragung und Ausbreitung der ASP die Gründe für das sinnlose Unterfangen einer Reduzierung der Wildschweindichte allein durch jagdliche Mittel darlegt und auch Empfehlungen ausgesprochen:

Demnach ist eine intensive Jagd kein Mittel, um das Risiko der Einschleppung und Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Wildschweinpopulationen zu reduzieren. Hauptgründe dafür, dass sich Wildschweinbestände auch durch drastische jagdliche Maßnahmen, wie wir sie jetzt in Deutschland sehen, nicht reduzieren lassen, sind

  • das Anpassungsverhalten von Wildschweinen

  • das kompensatorische Wachstum der Population

  • die mögliche Zuwanderung von Wildschweinen aus angrenzenden Gebieten.

Zahl getötete Wildschweine Jagdstatistik Strecke Schwarzwild
Die unstrukturierte Jagd fördert den Anstieg der Wildschweinbestände

Die Behörde stellt des Weiteren fest, dass es nicht einmal möglich ist Schwellenwerte für die Wildschweinedichte für die Einschleppung, Verbreitung und Persistenz des Virus in Wildschweinpopulationen zu ermitteln. Das heißt auf Deutsch, niemand weiß, wie viele Wildschweine es in Deutschland oder in bestimmten Regionen gibt oder wie stark man die Population überhaupt reduzieren muss, um das Risiko zum Beispiel der Verbreitung zu minimieren. Je mehr die geschätzte Populationsgröße vom tatsächlichen Bestand abweicht, desto größer ist der Fehler bei der Bewertung der Effizienz einer Methode zur Reduzierung der Wildschweinpopulation. Die Schätzung der Größe einer Wildschweinpopulation bleibt aufgrund ihrer komplexen sozialen Struktur, des nächtlichen Aktivitätsmusters und der Bevorzugung dichter Vegetation wohl vorerst eine ungelöste Herausforderung.

Hier eine Zusammenfassung von Schlussfolgerungen und Empfehlungen der ESFA:

1 – zur Möglichkeit, die Zahl der Wildschweine drastisch zu reduzieren:

  • Wildschweinpopulationen sind auch durch drastische jagdliche Mittel in Europa niemals zurückgegangen.

  • Jagdliche Bemühungen können zu adaptiven Verhalten der gejagten Wildschweine, zu kompensatorischem Wachstum des Bestands und zur Zuwanderung von Wildschweinen aus angrenzenden Gebieten führen.

2 – Auswirkungen eines erhöhten Jagddrucks in einem vom Afrikanischen Schweinepestvirus freien Gebiet auf das Risiko der Einschleppung und Ausbreitung:

  • Jagd ist keine sinnvolle Maßnahme, um das Risiko der Einschleppung und Verbreitung der ASP in Wildschweinpopulationen zu verringern.

  • Dichtegrenzen für die Einschleppung, Ausbreitung und Persistenz der ASP in Wildschweinbestände sind schwierig bis unmöglich zu etablieren. Das bedeutet, das eine Effizienz der jagdlichen Maßnahmen nicht ermittelt werden kann – der Marketingmann spricht hier von fehlenden KPI’s (Key Performance Indicators).

  • Der Versuch einer intensiven Reduzierung des Schwarzwilds kann das Übertragungsrisiko der ASP erhöhen und die progressive geographische Verbreitung der Krankheit erleichtern. Es ist bekannt, dass ein intensiver Jagddruck auf die Wildschweinpopulation zur Verbreitung von Gruppen und Individuen führt.

Bei der aktuellen Hysterie von Bauernfunktionären und Landwirtschaftsministerien werden Mindeststandards des Tierschutzes außer Kraft gesetzt. Bild: Detlef Hinrichs

Empfehlungen der EFSA von 2014:

  • Um die Eintragung und Ausbreitung von ASP zu vermeiden, sollten Strategien zur Populationsbewirtschaftung darauf basieren, dass die derzeitige Populationsdichte und Dynamik der Wildschweine stabil bleibt – derzeit passiert das Gegenteil, durch die Intensivierung der Jagd werden komplexe Sozialstrukturen zerstört und ein erhöhtes kompensatorisches Wachstum provoziert. Über alternative Herangehensweisen wie zum Beispiel die Geburtenbeschränkung durch die Verabreichung von Antikörpern wird in den zuständigen Ministerien nicht einmal nachgedacht.

  • Präventive Maßnahmen zur Eintragung der ASP durch die Einfuhr von infizierten Schweinen, kontaminiertem Schweinefleisch, Menschen, Fahrzeugen, Futtermitteln usw.. Hier wird seitens der verantwortlichen Politiker unseres Erachtens nicht der Schwerpunkt gesetzt. Priorität muss der Einsatz sämtlicher Mittel zur Unterbindung der Einbringung der ASP durch den Menschen sein. Dazu gehört die wildschweinsichere Abzäunung von Autobahnparkplätzen, die tägliche Reinigung der Straßenränder von Einfallstraßen aus dem östlichen Ausland, die Unterbindung der Einfuhr oder Einbringung sämtlicher, nicht geprüfter Schweinefleischprodukte, das Verbot von Jagdreisen in kontaminiertes Gebiet, das Verbot der Grenzüberschreitung von Tiertransportern nach Deutschland, die Definition von Hygienemaßnahmen und deren Überprüfung im Vorfeld eines Seuchenfalls. Davon hört man seitens der Agrarministerien recht wenig. Plakate an den Grenzen und auf Parkplätzen zu kleben, dürfte wohl nicht ausreichen.

  • Bessere Kenntnisse über die epidemiologische ASP-Situation sind erforderlich, um ein Kontrollprogramm zu konzipieren, das aus mehreren Kontrollmaßnahmen besteht und alle relevanten Risikofaktoren erfasst.

  • Bessere Überwachungsinstrumente für die Populationsdichte von Wildschweinen, die möglicherweise nicht auf Jagddaten basieren, werden benötigt. Hier ist seit 2014 wohl nichts passiert.

  • Die Dynamik der Wildschweinpopulationen und Mittel zur Kontrolle der Wildschweinpopulation erfordern weitere Forschung. Auch hier scheint die Politik seit dem Aufruf der ESFA geschlafen zu haben.

  • Die europaweite Politik im Bereich Umwelt / Landwirtschaft sollte die Auswirkungen auf die Dynamik der Wildtierpopulation beim Management von Wildtierkrankheiten berücksichtigen. Das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland werden inzwischen allein Mais und Raps auf einer Fläche, die der Größe von Mecklenburg-Vorpommern entspricht, angebaut.

Quellen:

Noch mehr über die Afrikanische Schweinepest erfahren Sie in diesen Artikeln

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