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Lovis Kauertz

Jedes Kind weiß, dass Jäger lügen

Auszugsweise Zitate aus dem vor 2010 geschriebenen 26-seitigen Memorandum "Damit keiner mehr sagen kann er hätte es nicht gewusst" des Sebastian Freiherr von Rotenhan:

Jagenden Zahnärzten und Rechtsanwälten ist nicht übel zu nehmen, wenn Sie als Gegenleistung für die zum Teil horrenden Jagdpachten uferlos hohe Schalenwildbestände (Anm. Red.: Wildschweine, Rehe, Hirsche u.a.) erwarten, wobei sich allerdings die Frage stellt, warum solche Leute überhaupt auf unser Wild losgelassen werden.

Das von der organisierten Jägerschaft in Anspruch genommene Motto, Jagd sei angewandter Naturschutz, ist eine ungeheuerliche Beschönigung dessen, was in unseren Wäldern tagein tagaus stattfindet.

Rudel Rehe im Schnee am Waldrand

Beim Rehwild geht es vielen Jägern immer noch um prächtige Trophäen.

Bild: Heiko Anders

Die Hegeideologie, die der Öffentlichkeit einen behutsamen Umgang mit dem Wild vorgaukeln soll, in Wahrheit aber nichts anderes ist als gezielte Trophäenzucht, bewirkt das genaue Gegenteil.

Jedes Kind weiß, dass Jäger lügen. Das Jägerlatein ist sprichwörtlich. So will man einer uninformierten Öffentlichkeit weiß machen, Schäden im Wald ließen sich verhindern, wenn man das Wild nur ordentlich fütterte. Hierbei lässt man nichts unversucht und alljährlich werden für riesige Summen Futtermittel gekauft und in die Wälder gefahren, was letztendlich zu einer Domestizierung des Wildes führt, aber das will man offenbar. Als ob das Wild einer künstlichen Fütterung bedürfe!

In Jahrmillionen der Evolution ging es auch ohne. Der Wald hat für einen bemessenen Wildbestand immer genug zu fressen. Dass der Bestand nicht ausuferte, dafür sorgten früher Wolf und Luchs.

Diese aber hat man ausgerottet und seither hat das Wild keine natürlichen Feinde mehr, sondern nur den unnatürlichen Freund in Form des Sonntagsjägers (in der Lausitz gibt es erfreulicher Weise wieder einige Wölfe. Unter Führung eines westdeutschen Jägers wurde allerdings inzwischen ein Verein gegründet, dessen einziges Ziel es ist, dafür zu sorgen, dass sie totgeschossen werden dürfen!). Der Sonntagsjäger geht wohl gelegentlich zur Jagd, aber er schießt nicht, auf jeden Fall zu wenig, dafür züchtet er Trophäen und erst wenn diese seinen züchterischen Vorstellungen entsprechen, greift er zur Büchse, um in „voller Verantwortung vor der Schöpfung Gottes den König der Wälder schweren Herzens der Wildbahn zu entnehmen". So ähnlich liest sich das, wenn vor Waidgerechtigkeit triefende Jagdgenossen zur Feder greifen, um sich in einer der schrecklichen Jagdzeitschriften zu verbreiten.

Luchse und Wölfe werden in Deutschland wohl nicht mehr so zahlreich sein, dass sie einen Einfluss auf den Bestand von Rehen, Wildschweinen und Hirschen haben werden. Die stärksten Regulatoren für die Wildbestände waren eh immer Nahrungsangebot, Krankheiten und klimatische Einflüsse. Bild: Berndt Fischer

Die Fütterung dient bei den männlichen Tieren der Produktion von starken Trophäen, denn sie ist eine künstliche Energiezufuhr, die eine Vergrößerung des sekundären Geschlechtsmerkmales Geweih zur Folge hat. Bei den weiblichen Tieren resultiert sie in eine erhöhte Reproduktion. Rehe gebären statt einem Jungtier zwei oder drei Kitze, wie die Jäger die Rehkinder nennen. Ich nenne die Arbeit mit dem Kulturzaun „Gefängnisforstwirschaft". Stabile Wälder dürfen nur „hinter Gittern" wachsen. Man hat sich vielerorts derart an diese Zäune gewöhnt, dass sie vom Bürger schon als normal angesehen werden.

Sebastian Freiherr von Rotenhan, Jahrgang 1949, ist Waldbesitzer im fränkischen Rentweinsdorf, im sächsischen Hohenstein-Ernstthal und im südbrandenburgischen Reuthen. Von 1989 – 2001 war er Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW). Gründungsmitglied des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV) und ehemaliger bayerischer Politiker (CSU).

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