Die Jagd auf Wölfe ist ein Thema, dass in der Öffentlichkeit immer wieder hitzig diskutiert wird. Neben Polemik, Hetze und Ideologie spielen auch Eigeninteressen eine große Rolle in dieser Diskussion. Ich vermisse hierbei immer wieder die Sachlichkeit, welche sowohl bei Gegnern, als auch Befürwortern des Wolfs häufig nicht vorhanden ist. Warum fordern manche Menschen eigentlich die Jagd auf Wölfe?
Mal ganz abgesehen von dem persönlichen Hass, den der Wolf manchmal erfährt, hat dieses vor allen Dingen die folgenden Gründe:
Zum Schutz von Nutztieren
Zum Schutz des Menschen
Zur Eingrenzung der Wolfspopulation
Zur Erhaltung des Wildbestandes
Doch würde eine selektive Bejagung von Einzeltieren diesen Forderungen nützlich sein? Ich sage klar und deutlich: Nein! Eine Jagd auf einzelne Wölfe bringt meiner Meinung nach nur weitere Probleme mit sich und wird nie zu einer Lösung dieser Konflikte führen. Ich habe mich einmal etwas genauer mit dem Thema befasst und habe 10 Gründe gefunden, die in meinen Augen ganz klar gegen eine Bejagung sprechen.
1. Wölfe sind keine akute Gefahr für den Menschen
Das Image des Wolfs in unserer Gesellschaft ist nach wie vor von Märchen und Sagen geprägt. Das Rotkäppchen von gestern sind die Zeitungsartikel und Mahnfeuer von heute. Und so kommt es, dass Schlagzeilen wie “Wolf in der Nähe von Kindergarten gesichtet” oder “Wolf reißt Schaf in der Nähe von Wohnhaus” noch heute eine erstaunliche Wirkung erzielen. Nun kann man sich streiten, ob es Unwissen oder Kalkül bedeutet, wenn solche Nachrichten heutzutage gestreut werden. Ich denke, dass es die Mischung aus beiden macht, da der Verfasser der Nachricht sich die Unwissenheit des Großteils der Gesellschaft zu Nutze machen will.
2016 wurden 11 Menschen bei Wildunfällen in Deutschland getötet, ca. 20 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen eines Wespenstiches. Bild: Heiko Anders, andersfotografiert.com
Wer sein Wissen jedoch nicht aus Märchen bezieht, sollte wissen, dass von Wölfen in der Regel keine Gefahr für uns Menschen ausgeht. Letztendlich reicht ein kurzer Blick auf die Fakten. Seit dem Jahr 1950 gab es in Europa genau 9 bekannte Todesfälle durch Wölfe. In allen Fällen waren die Wölfe erkrankt (Tollwut). Aus Europa ist kein Fall bekannt, bei dem ein gesunder Wolf einen Menschen getötet hat. Statistisch gesehen ist somit jedes Wildschwein, jeder herabfallende Ast, jede verirrte Jägerkugel, jede Rinderherde und jeder freilaufende Hund gefährlicher. Und doch diskutieren wir in Bezug auf die Sicherheit eigentlich nur über den Wolf. Es ist die fehlende Interessengruppe, die dem Wolf dabei in der Vergangenheit zum Verhängnis wurde.
Doch heute ist das anders. Ein Großteil unserer Gesellschaft und die Politik sprechen sich für den Wolf aus und ermöglichen damit auch die tolle Entwicklung, welche die Wolfspopulation in der Vergangenheit genommen hat. Über 17 Jahre lebt der Wolf nun wieder unter uns und es ist noch zu keiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Menschen gekommen. Auch wenn Wolfsgegner das sicherlich anders sehen und bereits den bloßen Augenkontakt zwischen Wolf und Mensch als kritische Auseinandersetzung wahrnehmen. Hier wird jedoch lediglich die angeblich verlorene Scheu der Wölfe mit der natürlichen Neugier der Tiere verwechselt. Eine Jagd aus sicherheitsbezogenen Gründen wäre völlig unverhältnismäßig und übertrieben.
2. Die Distanz zum Menschen wird nicht verbessert
Es ist immer wieder zu hören und zu lesen: Die Wölfe haben die Scheu vor dem Menschen verloren. Doch ist es vielleicht auch einfach unsere Unwissenheit, die uns zu dieser Annahme bringt? Mir ist nicht bekannt, dass die aus Polen zu uns kommenden Wölfe jemals eine solche Scheu gezeigt hätten, dass sie um ihr Leben rennen, wenn sie auch nur die Anwesenheit eines Menschen erahnen. Und doch ist dies das Bild, welches viele Menschen mit der Scheu eines Raubtieres verbinden.
In Folge dessen fordern manche lokale Politiker oder Jagdvorsitzende sogar eine Abschussgenehmigung bei Annäherung eines Wolfes auf unter 1 km zu einem Gebäude. Nur ein Beweis dafür, wie absurd die Diskussion um den Wolf mittlerweile geführt wird. Der Wolf ist von Natur aus neugierig und ein echter Anpassungs- und Überlebenskünstler. Er verbindet menschengemachte Objekte wie Häuser oder Autos nicht mit Gefahr, da diese mittlerweile überall auf unserer Welt vorhanden sind. Ich selbst hatte auch bereits eine Begegnung mit einem Wolf, der plötzlich 10 Meter vor mir stand, da er mich hinter meinem Auto nicht bemerkt hatte. Mein Auto hat er als seine normale Umgebung angesehen. Das folgende Bild ist bei dieser Begegnung entstanden.
Meine erste Begegnung. Bild: Stephan Schulz
Nachdem der Wolf mich einige Sekunden neugierig anschaute, ging er desinteressiert im großen Bogen an mir vorbei. Ich selbst war in diesem Moment einfach nur von der Ausstrahlung dieses Tieres fasziniert und hatte nicht den Hauch einer Angst. Die Diskussion um die Scheu von Wölfen sehe ich als übertrieben an, da solche Begegnungen gar nicht verhindert werden können. Eine Welt in der ein Wolf sich ohne das Aufeinandertreffen mit Menschen oder menschlichen Objekten bewegen soll, müsste noch erschaffen werden.
In den wenigen Fällen, in denen bisher ein Wolf tatsächlich seine Scheu verloren hat (siehe “Kurti”), konnte auch bereits mit einem Abschuss reagiert werden. Dass eine Jagd auf Wölfe jedoch die Scheu einer gesamten Population vergrößert, ist nicht erwiesen und in meinen Augen auch sehr unwahrscheinlich. Wie soll schließlich ein toter Wolf das Verhalten anderer Wölfe beeinflussen? Es gibt Füchse die tagsüber durch Gärten marschieren, obwohl sie seit Jahrhunderten von Menschen gejagt werden.
Die These, dass die Jagd also die Scheu des Wolfes erhöht, ist in meinen Augen eher ein Wunschgedanke als ein erwiesenes Argument.
Ein Beitrag von Stephan Schulz Naturfoto
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