Bei der Jagd auf Wildscheine gibt es schon seit langem kaum noch Tabus. Die Aufhebung sämtlicher Schonzeiten, tierquälerische Bewegungsjagden mit jeweils hoher Anzahl angeschossener Tiere, die Jagd bei Tag und Nacht, selbst mit Scheinwerfern, die Möglichkeit Saufänge einzusetzen, all‘ das hat hinsichtlich der Zielsetzung, die Zahl der Wildschweine zu reduzieren oder Wildschäden zu vermeiden in den letzten beiden Jahrzehnten zu überhaupt nichts geführt – außer zu unermesslichem Tierleid.
Dem Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen reicht das angesichts der in Teilen Osteuropas und zuletzt in Belgien grassierenden Afrikanischen Schweinepest nicht. Auf Initiative des Freizeitjägerverbands wurde in NRW im parlamentarischen Verfahren, d.h. ohne Anhörung von Experten, die ganzjährige Wildschweinjagd mit Hunden zugelassen. Diese auf Tierquälerei hinauslaufende Jagd war bisher wenigstens noch von Mitte Januar bis Ende Juli untersagt.
Wildmeister Peter Markett, Vorsitzender des Landesverbands NRW der Berufsjäger, hält diesen Vorstoß der Landesregierung für wildbiologisch falsch, tierschutzrechtlich sehr bedenklich und jagdpraktisch für unnötig. In den Wintermonaten des neuen Jahres sind Frischlinge auf die Muttersäue angewiesen, würden Sauen geschossen, irrten Jungtiere alleine herum. Zudem würden Hunde Massaker unter den Jungtieren anrichten. Eine Erstausbreitung der Afrikanischen Schweinepest lasse sich durch eine verstärkte Bejagung sowieso nicht verhindern.
Trotz der Aufhebung von Schonzeiten, trotz technischer Aufrüstung und trotz der Scheinwerferjagd zur Nachtzeit - die Zahl der Wildschweine nimmt nicht ab, sondern zu.
Mit dem Vorwurf von Fehlentwicklungen im Rahmen der Hobbyjagd ist Markett nicht allein. Unterstützung bekommt er von Wildmeister Dieter Bertram, Bundesobmann der Berufsjäger a.D.: In einem Schreiben an Ralph Müller-Schallenberg, den Präsidenten des Landesjagdverbands NRW, äußert er anlässlich dieser aktuellen Entwicklung zunehmende Zweifel daran, ob der Landesjagdverband noch die Kompetenz besitze, in der Öffentlichkeit für Wildtier und Umwelt als Vermittler zu arbeiten. Im Vordergrund stehe die technische Aufrüstung, „mit der unsere Jäger erfolglos, aber mit hohem Ansehensverlust in der Öffentlichkeit, zu Perfektionsmonstern, statt zu waidgerechten, verantwortungsvollen Jägern ausgerüstet werden“.
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